German Zukunft statt German Angst

Ich kann es nicht mehr hören wie viel Arbeitsplätze und Prozesse KI einsparen soll. KI gehört zu den Tools die wir gerne falsch einsetzen – aus Angst. Wir nutzen KI in 96% der Anwendungen um irgendetwas zu automatisieren. Damit begeben wir uns aber in eine Abhängigkeit von wenigen Unternehmen. Wie wäre es, wenn wir statt dessen unsere eigenen Möglichkeiten durch KI potenziell steigern und damit aktiv gestalten.

Es gibt Begriffe, die bleiben an uns haften, irgendwann glauben wir sie – “German Angst” ist einer davon. Er beschreibt unsere liebevolle, manchmal auch etwas verkopfte Angewohnheit, Risiken sehr gründlich zu analysieren. Sehr, sehr gründlich.

Das führt zu einem Denken in “Wahrscheinlichkeiten”: was könnte alles passieren? Welchem globalen Trend werde ich mich als nächstes beugen müssen? Was wäre, wenn wir diesen Blickwinkel einmal drehen und uns fragen: Was habe ich eigentlich für Möglichkeiten?

Und nicht nur: was habe ich für Möglichkeiten, sondern auch: was hat die Gesellschaft um mich herum für Möglichkeiten? Neue Möglichkeiten die aus fortschreitenden Entwicklungen in Technologie, Sozialem Verständnis, neuen Narrativen des Lebens und Millionen anderen Impulsen entstehen.

Mit Wahrscheinlichkeiten in die KI-Falle

Was fragen wir uns stattdessen: wie kann ich mit KI möglichst 30% Prozesskosten einsparen und Mitarbeiter automatisieren. Das ist eine typische industrielle Denkweise, die zudem den Möglichkeiten von KI nicht mal im Ansatz gerecht wird.

Wahrscheinlichkeiten sind passiv, reaktiv. Wir beobachten Märkte und reagieren. Dabei müssen wir uns kontinuierlich anpassen. Wer sich externen Einflüssen anpasst, kann aber höchstens 50% seiner Fähigkeiten einbringen, eher weniger. Der Rest passt halt nicht.

Möglichkeiten hingegen sind aktiv. Ich schaue was ich wirklich kann, was ich möchte und welche Werte ich habe. Diese setze ich mit meiner ganzen Kraft um. Das bringt deutlich mehr Energie ins System.

KI kann beide Wege verstärken. 96% der KI-Anwendungen laufen derzeit vereinfach gesagt in Richtung Automation. Wie kann ich noch mehr sparen? Denken wir doch einmal anders: wie kann ich mit KI die unendlichen Möglichkeiten von Menschen potenzieren?

Kleine Randbemerkung: wenn ich KI zur Automation nutze, mache ich mich zunehmend von ihr abhängig, weil ohne sie gar nichts mehr geht. Nutze ich sie um Möglichkeiten zu potenzieren, wird sie zukünftig zu einem Tool das ich bei Bedarf wechseln kann, wenn ich eins finde welches meine Möglichkeiten besser verstärkt. Ich bleibe aber unabhängig, denn ich habe ja mehrere Möglichkeiten.

Made bei Möglichkeiten

“Made in Germany” ist entstanden in einer Zeit in der es nichts zu verlieren gab – und nur wenige Vorbilder. Hier haben wir sehr innovativ unser Leben neu definiert, mit allen Möglichkeiten die wir hatten. Dazu die optimalen Produkte und Dienstleistungen entwickelt, die uns mit Blick auf unsere Gesellschaft, Demografie, Bildungsstand, Geografie, Geopolitik und Vielem mehr, sinnvoll erschienen. Wir haben uns nicht einen Tag an Wahrscheinlichkeiten orientiert!

Mit Lean-Management und solcherlei Glaubenssätzen haben wir uns diese phantastische Welt dann noch schöner geredet. Mit einem Mal war dieselbe Leistung, dasselbe Produkt möglich, hat aber in der Herstellung weniger gekostet.

Was wir geschafft haben waren satte Gewinnsprünge, die übrigens nur wenigen zugute kamen. Die Mehrheit hatte zunächst immerhin noch dieselben guten Produkte. Bis diese durch verschiedene weitere Management-Glaubenssätze dann auch schlechter wurden – zugunsten der Gewinnsprünge. Ein Ingenieur eines weltweit agierenden Technologie-Unternehmens aus Deutschland hat es in einem Interview mit mir auf den Punkt gebracht: “Früher waren wir stolz auf unsere Produkte. Da haben wir gesagt ‘Das haben wir gemacht!’ – heute sagen wir ‘Das mussten wir so machen – aus Shareholder-Value-Gründen’!”

Mit KI versuchen wir heute diesen Spar-Effekt zu verstärken – sonst nichts!

Irgendwann haben wir aufgehört im Kern neue Produkte zu entwickeln, sondern nur noch deren Prozesse zu optimieren. Wir lassen dabei die Fähigkeiten von Millionen Arbeitnehmer:innen ungenutzt, degradieren sie zu reinen Facharbeiter:innen, die exakte Aufgaben zu erfüllen haben. Statt dessen könnten wir auch hier all ihre Möglichkeiten nutzen. Und tatsächlich wird uns für die Zukunft auch gar nichts anderes übrig bleiben, denn sonst schaffen wir den Sprung nicht.

Stellen wir uns doch nur einmal vor, wir haben 1.000 Mitarbeiter:innen die derzeit rund 30-40% ihrer Fähigkeiten einbringen, weil exakt das das ist was wir in der Stellenbeschreibung stehen haben. Da sind bestimmt 30% ungenutzte Fähigkeiten, die wir in Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle integrieren könnten. Wenn wir diese mit KI potenzieren könnten!!! Und das ist nicht mal untertrieben.

German Zukunft ist ganz einfach – wir müssen nur anders denken.

Wir suchen also nicht nach Mitarbeiter:innen die exakt eine Stellenbeschreibung ausfüllen, sondern die etwas von sich mitbringen, was unser Unternehmen bisher nicht hat – und wodurch wir eine Vielzahl neuer Möglichkeiten bekommen. Und tatsächlich kann KI uns helfen diese vielen neuen Möglichkeiten zu nutzen. Und was machen wir mit KI: wir versuchen Mitarbeiter, die tatsächlich nur noch Dienst nach Jobbeschreibung machen, durch KI zu ersetzen. Wie viel höher wäre unser Ergebnis, und der Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft, wenn wir diese ganzen Möglichkeiten über KI in Produkte und Dienstleistungen, in Lösungen für gesellschaftliche Probleme verwandeln würden?

Bis hin zu unserem Gesundheitssystem optimieren wir auch Dienstleistungen – ohne sie mit den neuen Möglichkeiten neu zu denken. Was, wenn wir KI in den Analyseprozess integrierten? Wir werden ein Gesundheitssystem erhalten das nicht sparen muss, sondern zum Beispiel durch Krankheitenerkennung per Netzhautscan – und vielen weiteren Möglichkeiten – mehr Sicherheit, Service und Leistung für die Patienten erbringt, bei bis zu 40% geringeren Kosten.

Nicht abgucken – selber machen.

Wir müssen nicht versuchen OpenAI 2 aufzubauen, wenn wir nicht die Möglichkeiten haben. Wir können Produkte erfinden und in den Markt bringen, die Nationen wie die USA gar nicht entwickeln können, weil ihnen die gesellschaftlich-wirtschaftliche Struktur dazu fehlt, die Diversität, wie wir sie zum Beispiel in Europa haben.

Damit aus der German Angst eine German Zukunft wird müssen wir in Möglichkeiten denken und uns von den Narrativen der Industrialisierung lösen. Denn derzeit versuchen wir alle neuen Ideen in die bestehenden Prozesse zu friemeln. Das k a n n  n i c h t  k l a p p e n!

Denken wir aber in unseren Möglichkeiten und verstärken diese mit KI, dann wandelt sich KI von unserer derzeitigen Nutzung als Prozess-Automotisierung, die uns abhängig macht, tatsächlich in ein strategisch-kognitives Tool mit dem wir unsere Möglichkeiten vervielfältigen – und damit auch die Möglichkeiten einer German Zukunft!

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